Dolores M. Bauer: Der lange Schatten des Adlers

Von Anna Wieselthaler · · 2005/02

Menschenverachtung made in USA

Edition VaBene, Wien-Klosterneuburg 2004, 264 Seiten, EUR 24,90

„Der lange Schatten des Adlers“ ist ein Buch, das von der Gewalt des alles vereinnahmenden Kapitalismus handelt, von seinen systemimmanenten Ungerechtigkeiten, und der Politik der Bush-Administration, die das neoliberale Gedankengut weltweit durchsetzt.
Seit Anfang der 1970er Jahre reist die ORF-Journalistin Dolores M. Bauer für ihre Reportagen in Krisengebiete der Welt und beobachtet, dokumentiert, zeichnet ein Bild von den Lebenswelten derer, deren Schicksal von Politik und Öffentlichkeit gern vergessen wird. Das Buch erzählt auch sehr persönlich von Menschen – wie etwa von einem indischen Mädchen, das seine neugeborene Tochter ertränkte, weil sein Mann aufgrund der schlechten Bezahlung der ausländischen Konzerne die zukünftige Mitgift nicht bezahlen hätte können.
Hinter den Szenarien, auf die die Autorin in Megastädten, Dörfern und Flüchtlingslagern trifft, erkennt sie die Auswirkungen des immer gleichen Systems: Allen Schauplätzen ist gemein, dass die Politik sich nicht an den Bedürfnissen der Bevölkerung, sondern der Konzerne des Nordens orientiert. Zählte man früher auf die Unterstützung kooperativer Militärdiktaturen, so erledigen dies heute die undemokratischen Bretton-Woods-Institutionen. Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terror entledigt man sich nunmehr auch gleich all jener, deren Freiheitsbegriff sich nicht nur auf den Freien Markt beschränken lassen möchte.
Auch wenn der Zugang der Autorin zu der Problematik christlich geprägt ist, so bleibt es dennoch jeder Leserin und jedem Leser selbst vorbehalten, sich ein eigenes Bild zu machen.
Gerade die berührenden persönlichen Katastrophen lassen das gesamte Ausmaß des weltweiten Umbruchs zum Leidwesen der Mehrheit der Menschen erahnen. Zugleich vermittelt das Buch jedoch auch den (Überlebens–) Willen der Menschen und ihren bewundernswerten Mut, die Dinge, soweit es in ihrer Macht steht, zu verändern. Es lässt damit die Leserin, den Leser mit einer gehörigen Portion Empörung, jedoch auch mit ein paar Gramm Optimismus zurück.

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